Sterbebegleitung & Energetisches Heilen

Favoriten, Sterbebegleitung

Wenn die Eltern sterben…

Die Tochter fährt Ihre Mutter auf dem Rohrstuhl Richtung Licht

…entsteht erst einmal Leere. So ging es jedenfalls mir und ich hätte nie gedacht, dass es so sein wird.

Zuvor hielt ich mich für frei, unabhängig und abgeklärt. Schließlich hatte ich mich schon so viel mit dem Thema Tod und Sterben auseinandergesetzt und einige Sterbeprozesse begleiten dürfen. Doch wenn die Eltern gehen, dann ist alles anders.

Meiner Mutter ging es schon einige Jahre nicht so gut. Sie hatte viele Krankheiten und litt unter großen Schmerzen, die ihr niemand nehmen konnte. Das hat uns alle in der Familie sehr belastet, besonders meinen Vater und meine Schwester Heike, die immer mit ihr zusammen waren und ihr nicht helfen konnten. Es entsteht Hilflosigkeit und man fühlt sich machtlos.

Ihr Zustand verschlechterte sich im Jahr 2018 rapide, sie nahm sehr viel an Gewicht ab, wurde zunehmend verwirrter und konnte auch nicht mehr richtig sprechen. Wenige Monate vor ihrem Tod wurde noch ein Gehirntumor festgestellt. Ihre Persönlichkeit veränderte sich drastisch. Mein Vater sagte, dass es das Schlimmste war, was er je erlebt hat. Das will was heißen! Denn er verlor Bruder und Vater im 2. Weltkrieg und wuchs alleine mit seiner Mutter auf.

 

Keine Aufnahmemöglichkeit im Hospiz

Da es immer schwieriger wurde, mit der Persönlichkeitsveränderung zuhause umzugehen, entschieden sich alle dazu, sich für eine Aufnahme in einem Hospiz einzusetzen, wo sie liebevoll von Fachkräften umsorgt sein würde. Mein Vater und Heike könnten sie dort täglich besuchen. Und meine große Schwester und ich hätten die Möglichkeit, jederzeit anzureisen, um mit ihr die letzte Zeit zu verbringen.

Ich möchte an dieser Stelle den Film „Halt auf freier Strecke“ von Andreas Dresen   empfehlen, damit sich jeder mal ein Bild machen kann, wie sich die Persönlichkeit eines Menschen mit Gehirntumor verändern kann.  Milan Peschel spielt diese Rolle unglaublich echt. http://halt-auf-freier-strecke.pandorafilm.de/

Es war dann so, dass meine Mutter nicht im Hospiz aufgenommen wurde mit der Begründung, sie sei eine Weglaufpatientin und es gäbe nicht genug Kapazitäten. Wie bitte?

Meine Schwester Heike und ich haben zu dieser Zeit ehrenamtlich in einem Hospiz gearbeitet. Meine Erfahrung war es, dass ja genau dafür wir Ehrenamtlichen eingesetzt wurden.

Wir konnten es nicht glauben und Verzweiflung breitete sich aus. Mein Vater und Heike entschieden sich gemeinsam dazu, unsere Mutter zuhause zu behalten. Meine Schwester würde sie pflegen – bis zum Schluss. Erst dachte ich, das ist zu viel und sie müsse sich Unterstützung holen. Doch unsere Mutter erlaubte ausschließlich meiner Schwester, sie zu pflegen. Heike richtete gemeinsam mit ihrem Mann ein Pflegezimmer ein und kümmerte sich liebevoll um unsere Mutter. Bei mir und meinem Vater löste das große Erleichterung aus. So konnte sie ihre letzte Lebenszeit in ihrer vertrauten Umgebung mit den vertrauten Menschen verbringen. Zwar wurde meine Schwester Heike dann plötzlich für meine Mutter zu Anna, aber das war wohl das kleinste Problem.

 

Ein Hand in der Dunelheit mit einer ausgehenden Kerze den Zod symbolsieirend

Verdrängung und Widerstand führt zu Leid

Heike war 3 Monate lang 24 Stunden für unsere Mutter da, hat für sie gekocht, sie gefüttert, und solange es noch ging, ist sie mit ihr raus in den Garten gegangen und hat sie gepflegt. Mir ist bei meinen Besuchen bewusst geworden, was sie leistet und ich bin ihr noch heute unsagbar dankbar dafür. Es war eine sehr schwere Zeit für uns alle, denn es ist nicht leicht zusehen zu müssen, wie sich die Mutter verändert, wie sich die Frau meines Vaters (sie waren über 60 Jahre verheiratet)  verändert und vor allem: leidet.

Ich glaube, dass Leid entsteht oder verstärkt wird, wenn wir den Tod aus unserem Leben ausklammern und verdrängen. Es ist nur natürlich, in so einer Situation traurig zu sein und wichtig, diese Traurigkeit auch zuzulassen. Aber Leid entsteht durch unsere Gedanken wie z.B.: „Warum passiert es mir?“, „Was habe ich getan, dass ich so bestraft werde?“, „Warum sterbe ich und die anderen dürfen weiterleben?“

Ich habe mir täglich gewünscht, dass sie bald gehen darf, denn sie hat sehr gelitten. Möge sie es doch schaffen, sich dem Unausweichlichen, dem Sterben, hinzugeben. Dann würde es leichter werden. Doch sie konnte es nicht. Sie kämpfte bis zum Schluss dagegen an. Bei mir löste das manchmal Wut und Hilflosigkeit, aber vor allem Trauer aus.

 

Ein letzter Akt der Zuwendung

Am 14. Juni 2018 starb unsere Mutter. Heike war bei ihr. Zuerst hat sich Erleichterung in mir breit gemacht, ein Aufatmen – endlich hat sie es geschafft. Ich verspürte den tiefen Wunsch, die Totenfürsorge für meine Mutter durchzuführen, d.h. sie zu waschen und ihr ein schönes Kleid anzuziehen.  Es war eine letzte Gelegenheit, meine Liebe zu ihr durch diesen Akt der Zuwendung zum Ausdruck zu bringen. Ich konnte es gemeinsam mit den Bestattern tun. Als wir sie entkleideten, war ich erst einmal geschockt darüber, wie dünn sie geworden war. Doch bald danach durchströmte mich ein inneres Gefühl von Wärme und Glück. https://www.youtube.com/watch?v=m8-XJW1t280

Hier ein Tipp: Es ist gut, langärmelige Kleidung auszusuchen, wenn der verstorbene Mensch sehr abgenommen hat, was besonders dann der Fall ist, wenn sich die letzte Lebensphase länger hinzieht.

 

 

Luftballons in Regenbogenfarben fliegen in die Luft

Papa gab sich dem Prozess einfach hin

Papa ging es nicht gut in dieser Zeit. Es nahm ihn alles sehr mit, schließlich hatte er seine zweite Hälfte verloren. Ich glaube, wenn man so lange verheiratet ist, dann trifft es den, der bleibt, besonders hart. Wir entschieden, Papa nicht mehr über mehrere Tage alleine zu lassen. Wenn Heike mit ihrer Familie in den Urlaub fuhr, reiste ich an oder meine große Schwester holte ihn ab, um ihn in ihr Haus nach Mecklenburg-Vorpommern zu bringen. Für uns war es eine sehr glückliche Zeit, denn wir konnten uns etwas von dem zurückholen, was in den letzten 40 Jahren verloren gegangen war: Nähe.

So vergingen 3 Jahre und Papa rappelte sich nach und nach wieder etwas auf, ging walken, trainierte sein Gedächtnis mit Übungen und kümmerte sich um den Garten. Es hatte den Anschein, als würde er ewig leben.

Doch plötzlich wurde er immer schwächer. Am Telefon sagte er mir immer öfter, er könne  heute nicht raus gehen, er sei zu schwach.

Ich versuchte ihn aufzumuntern und auch er selbst sagte mir immer wieder, dass es bald wieder besser sein würde. Doch ein seltsames Gefühl machte sich in mir breit. Ich hatte Angst, dass wir uns etwas vormachten.

Nach einer Arztuntersuchung bekam er Bluttransfusionen aber sein Zustand verbesserte sich nicht mehr. Eines Tages rief Heike mich an – es war ein Sonntag. Sie sagte, ich könne jetzt kommen, mit Papa gehe es zu Ende, er hatte auch schon die letzte Darmentleerung und wird zunehmend müder.

Er strahlte, als er mich sah und wir umarmten uns. Ich wollte ihn gerne in den letzten Tagen begleiten, und konnte dies gemeinsam mit Heike und meiner Nichte Laura tun. Laura hatte die letzten 2 Jahre mit ihrem Opa gearbeitet. Sie interviewte ihn vor der Kamera. Es wird ein Dokumentarfilm entstehen. Ich glaube, meinem Vater hat es sehr gut getan, sein ganzes Leben noch einmal zu reflektieren und sich zu erinnern. Meiner Meinung nach ist es für jeden Menschen hilfreich, sein Leben zu erzählen. Es wird dadurch leichter, zu gehen, denn man sieht, was man alles erlebt hat und was für schöne Momente dabei waren.

Papa wurde jeden Tag schwächer. Er schlief sehr viel in seinem Liegesessel, war sehr ruhig und wollte mal einen Schluck Bier, seinen letzten Schluck Wein, und vor allem die letzten Fußballergebnisse der zweiten Liga, die ihm sein Enkel Constantin mitteilte.

Dann kam der Tag, an dem Heike – sie hatte wieder die Pflege übernommen – nicht mehr mit ihm auf die Toilette gehen konnte, da seine Schwäche zu groß war, um beim Gehen zu helfen. Wir legten ihn in sein Bett. Papa war im Kopf noch sehr klar. Heike musste ihm erklären, dass sie ihm nun eine Windel anlegen müsse. Das wollte er natürlich nicht, aber schlussendlich hat er es zugelassen.

Aus meiner Erfahrung als Sterbebegleiterin weiß ich, dass es für die Menschen, die in dieser Phase noch bei vollem Bewusstsein sind, das Schlimmste ist, nicht mehr auf die Toilette gehen zu können und eine Windel zu tragen. Ich habe mir schon ernsthaft überlegt, das mal zu üben, denn die meisten Menschen müssen am Ende des Lebens gepflegt werden, weil die Kräfte mehr und mehr schwinden.

Papa schlief nun sehr viel und bekam Fieber. Auch atmete er sehr intensiv und laut, als würde er rennen. Wenn wir ihm die kühle Hand oder einen feuchten Waschlappen auf die Stirn legten, dann zeigte er Daumen hoch und nickte. Mit schwacher Stimme hatte er seine Enkelin Laura gefragt, wann er endlich sterben würde. Dieses Ereignis verdeutlicht, dass unser Vater sich vollkommen bewusst darüber war, dass er bald sterben würde. Es war traurig, ihn so zu sehen und die Gewissheit zu haben, dass es ihn bald so nicht mehr geben würde. Doch ich war gleichzeitig glücklich darüber, dass er sich diesem natürlichen Prozess hingab, und nicht, wie unsere Mutter, dagegen ankämpfte. Ich wusste aus Erfahrung, dass es für alle leichter ist und auf diese Weise mehr Nähe entsteht. Mir gab es mehr Raum für Trauer.

 

Dann ging auch Papa von uns

Es folgten 5 weitere Tage. Am Freitag waren wir morgens bei ihm, er atmete immer noch so stark. Dann gingen wir runter in die Küche, um einen Kaffee zu trinken und zu frühstücken. Als Laura und ich nach ihm sahen, bemerkte ich bereits auf dem Weg zu seinem Zimmer, dass die lauten Atemgeräusche fehlten. Es war ganz still.

Beim Eintreten in sein Zimmer wurde uns sofort bewusst, dass Papa gegangen ist. Wir nahmen uns in die Arme und weinten. Heike kam hinzu und band ihm weinend den weit geöffneten Mund zu, damit keine Flüssigkeit austreten kann. Dann öffneten wir das Fenster.

Er sah nun ganz anders aus. Es war nur noch eine Hülle ohne Leben. Seine Haut war wächsern und noch ziemlich lange sehr warm, was mich wunderte.

Auch bei Papa wollte ich die Totenfürsorge gemeinsam mit den Bestattern durchführen. Wir wuschen ihn und kleideten ihn mit seinen Lieblingssachen ein. Auch das Taschentuch durfte nicht fehlen. Er sah toll aus. Nachdem alle Abschied genommen hatten, begleitete ich die Bestatter bis zum Wagen. Ich war tief berührt, als die Bestatter sich vor meinem Vater verneigten, nachdem sie ihn in das Auto geschoben hatten. Als ich es ihnen gleichtat, schossen mir Tränen in die Augen. Dann fuhren sie los und auch Papa war für immer weg.

Die Trauerfeier war so berührend, wunderschön und tief traurig – so ein Wechselbad der Gefühle hatte ich noch nie erlebt. Vielleicht war es so, weil mein Vater in seinen letzten Jahren zu allen Familienmitgliedern Nähe aufgebaut hatte und ein herzensguter Mensch war. Und auch, weil seine älteste Enkelin Laura und sein jüngster Enkel Constantin eine berührende Rede hielten. Die Rede der Trauerrednerin, die auch schon bei der Trauerfeier für meine Mutter gesprochen hatte, rührte uns alle sehr. Sie sagte etwas, was mir bis heute in Erinnerung geblieben ist. Ihr Wort an uns drei Töchter richtend, sagte sie: „Erst jetzt sind sie erwachsen, jetzt, wo Mutter und Vater gestorben sind.“ Ich habe sehr lange darüber nachgedacht. Je mehr Zeit verging, desto besser verstand ich diese Worte.

 

regenbogen im Himmel

So sah ich Papa ein letztes Mal

Ich habe so tiefe Trauer empfunden, wie niemals zuvor. Einerseits hatte ich nun Ideen und den Mut, sie umzusetzen ohne den Satz im Kopf, was wohl Papa dazu sagen wird? Denn obwohl ich vom Alter her erwachsen war, so war dennoch immer so ein kleines schlechtes Gewissen vorhanden, wenn ich etwas komplett anders machen wollte als es den Vorstellungen meiner Eltern entsprochen hätte. Ich wurde ab und zu noch zu dem kleinen Mädchen, was ich einmal war. Nach dem Tod meiner Eltern war diese richtende Stimme in meinem Kopf verschwunden. Ich fühlte mich frei, unbekümmert und leicht. Auf der anderen Seite war große Leere entstanden – Es fehlte der Kontakt zu meinen Eltern, die Sorge um ihre Gesundheit, ihre Sorge um mich, die regelmäßigen Telefonate mit meinem Vater, sein Humor, den er bis zuletzt beibehielt, die gemeinsame Zeit.

Kurz nach der Trauerfeier für meinen Vater ging ich zur Atemsitzung, in der ich regelmäßig das verbundene Atmen praktiziere. https://www.netzwerkverbundeneratem.net/meike-nittel
Bei dieser Atemtechnik wird über einen längeren Zeitraum der Ein-und Ausatmen verbunden, indem keine Atempause eingelegt wird. Diesmal hatte ich eine sehr tiefes und intensives Erlebnis: In meiner Vision bin ich mit meinem Vater über einen Regenbogen gegangen, bis zur Mitte. Dort tanzten wir so, wie wir tanzten, als ich noch ein Kind war: Ich stand auf seinen Füßen und er tanzte mit mir. Ich liebte es.

Er sagte, dass er nun gehen und mich zurücklassen müsse. Er sei sehr stolz auf mich und meine Schwestern und wisse, dass wir unser Leben gut meistern und unser Bestes geben würden, um gut zu leben. Da sei er sich sicher. Dann ging er und ich schaute ihm nach. Am Ende des Regenbogens leuchteten ganz viele helle Lichter. Als ich genauer hinsah, wusste ich, es waren die Ahnen, die Papa abholten. Ganz vorne sah ich seine Eltern, seine zwei Brüder und meine Mutter. Sie winkten ihm zu und holten ihn ab. Das gab mir die Gewissheit, dass es ihm gut gehen würde; genauso gut, wie meiner Mutter und allen Ahnen.

Ich weinte während der ganzen Atemsitzung. Ich war so tief berührt und wusste, dass meine Vision sich genauso ereignet hatte. Jetzt war alles gut. Ich kann immer und zu jeder Zeit über mein Herz Kontakt zu meinen Eltern und allen Ahnen aufnehmen. Unsere Ahnen lieben uns und stehen hinter uns. Meine Dankbarkeit darüber teile ich ihnen regelmäßig mit.

Ich meditiere schon seit vielen Jahren und Spiritualität prägt mein Leben. Mein Leben ist dadurch friedvoller, gesünder, ruhiger und liebevoller geworden. Ich übe mich darin, Liebe und Dankbarkeit in mein Leben zu integrieren und kann spüren, wie die Leere dadurch erfüllt wird.

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Yvonne Gerber

Sterbebegleiterin

Ich bin an Ihrer Seite, um Sie bei Ihrem letzten Lebensabschnitt zu unterstützen und einen friedlichen Übergang in Vertrauen und Gelassenheit zu ermöglichen.

Yvonne Gerber

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